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ZN-Buechse

Der Zündnadelvorderlader

  • Hersteller: N. v. Dreyse, Sömmerda
  • Baujahr: unbekannt etwa 1832
  • Vorderlader: Nadelzündung, mit Spannkurbel
  • Abzugsbügel mit Abzugssicherung
Alle Fotos wurden im Historisch-technischen Museum zu Sömmerda im Dreyse-Haus aufgenommen.

Zuendnadelvorderlader
Natürlich stand am Anfang der erfinderischen Tätigkeit des Nikolaus von Dreyse nicht direkt der Hinterlader mit Zylinderverschluss. Von dem Vorderlader mit Nadelzündung (das System, das hier beschrieben werden soll) bis zum Hinterlader mit Einheitspatrone und Zylinderverschluss war es ein weiter Weg.

Im 19. Jahrhundert waren die Bestrebungen bei der Entwicklung neuer Gewehrsysteme die Vereinfachung bzw. Verringerung der Ladegriffe und damit die Erhöhung der Feuerkraft. Ein Entwicklungsschub der Produktivkräfte, Fortschritte in den Naturwissenschaften und der Technik, spektakuläre Erfindungen und vor Allem deren fertigungstechnische Verwertung sowie die Zielstrebigkeit und Geschick eines neuartigen Unternehmertums beendete eine lange technische Stagnation militärtechnischer Entwicklung. Bis dahin wurden im Wesentlichen technische Fortschritte im Bereich der Feuerwaffen durch technische interessierte und versierte Offiziere vorangetrieben. Dabei bemühten sich militärische und fiskalische Behörden, meist widerwillig-dilatorisch, sie zu verstehen und ins Kalkül der militärischen Vorschau mit einzubeziehen. Es wurden Kommissionen gebildet, um die Neuerungen zu begutachten und ggf. die optimale, in das bestehende System passende, Lösung auszuwählen.
Darüberhinaus war das Bestreben nach neuer Waffentechnik und Rüstung in dem Frieden nach der Beendigung des Eroberungsdranges des Napoleons I. und der Befreiungskriege nicht gerade groß. In der Literatur wurden neue Entwicklungen diskutiert, wobei eine Verwendbarkeit der Perkussionszündung, neue Schlosskonstruktionen und Zündmittel im Vordergrund standen. Kriterien für die Anerkennung neuer Konstruktionen waren:

  • Einfachheit der technischen Lösung und damit Handhabbarkeit, damit es auch der ungeschickteste und ungebildetste Soldat bedienen konnte.
  • Zuverlässigkeit unter militärischen Einsatzbedingungen.
  • Sicherheit des Schützen, sowie beimTransport und der Lagerung.
  • Schießtechnische Leistung (Schnelligkeit und Präzision).
  • Einfache Wartung und Reparaturbedingungen in der Truppe.
  • Aptierfähigkeit älterer Ordonnanzwaffen.
  • Die Beschaffbarkeit.
Dreyse war zunächst nicht auf die Zündnadel als Zündmechanismus fixiert, sondern an allem interessiert, was mit der Verbesserung der Waffentechnik zu tun hatte. So fertigte er z.B. 1827 mindestens 5 verschiede Gewehrkonstruktionen zur Vorstellung bei der entsprechenden Kommission (seine Beharrlichkeit und sein Einfallsreichtum waren später berühmt berüchtigt, aber eine Grundlage seines Erfolges). In dieser Zeit arbeitete Dreyse - wie alle Waffenerfinder - empirisch-experimentell. Dabei benutzte er auch die Informationen, die sich aus seinen Geschäftsverbindungen rund um die Fertigung der Perkussionszündhütchen ergaben. Das schwerfällige Herantasten der Militärbehörden und der sich daraus ergebende Wettbewerb haben Dreyse eher beflügelt als abgehalten und er suchte nach Verbesserungen für die Perkussionswaffen. Wirtschaftlich war er dabei abgesichert durch die Produktion der Zündhütchen und wohl auch beflügelt durch ein entsprechendes Patent und ihren Erfolg. Auch wenn das Geld meist eher knapp war und er z. B. verschiedentlich bei der preußischen Militärverwaltung um finanzielle Unterstützung bat um neue Entwicklungen in Berlin vorstellen zu können.
Zuendnadelvorderladerpatent
Zeichnungen zum Patent eines Zündnadelvorderladers.

Dass Dreyse sich auch Gedanken darüber machte durch Konkurenzideen nicht ins Hintertreffen zu geraten sieht man daran, dass er manchen Patentantrag einreichte. Dabei war nicht jede Idee bis zu letzt ausgereift und ausformuliert. So existiert ein Patentschreiben "Zum Patent für den Fabrikunternehmer Herrn N. Dreyse zu Sömmerda auf eine neue Einrichtung von Gewehrschlössern und von Patronen auf eine eigentümliche Methode, Gewehre von hinten zu laden und die Art eines Magazins an Gewehre für Zündhütchen gehörig". Es ist auch sicher, dass er bald nach dem Patentantrag vom 10. Juli 1827 über ein "Gewehr von hinten zu laden" ein weiterer, zusätzlicher Antrag auf ein "Gewehr ohne Ladestock zu laden, und statt des Schießpulvers mit Knallpulver zu feuern" (Zündnadelvorderlader) eingereicht wurde. Dreyse experimentierte in dieser Zeit viel mit dem sogenannten "muriatischen Pulver", was sich aber am Ende als nicht praktikabel erwies, da es ja schlagempfindlich war und die Treibladung bei dem Versuch das Geschoss in den Lauf zu treiben vorzeitig, zünden konnte. Bei so einem Unfall verletzte Dreyse sich nicht unerheblich an der Hand.
In seiner Patentbeschreibung verwies er auch darauf, dass sein System durch Umänderung gewöhnlicher Feuergewehre hergestellt werden kann, zumal ökonomische Gründe für einen Erfolg nicht unerheblich waren. Er beschrieb recht ausführlich (u.a.):
  • "Die Mitte der Schwanzschraube wird mit Messing gefüttert, in selbige ein 1/2 Zoll starkes Loch gebohrt, darin sich eine stählerne vergoldete Nadel (mittels welcher das Knallpulver entzündet wird) bewegt. Die Nadel bekömmt ein einfaches Riegelstück. Dasselbe wird mit einem eingelassenen Hahnmaul durch Schrauben verbunden, und dient die Bewegung des Hahns beim Abschießen und Aufziehen der Nadel mitzuteilen. Rohr und alle übrigen Gewehrteile bleiben dieselben..."
Zuendnadelvorderlader
In der Beschreibung wurde erstmals die Nadel als Funktionsteil erwähnt, ohne dass der Begriff "Zündnadel" verwendet wurde, der später einer ganzen Waffenfamilie seinen Namen gab.
Der Ladestock wurde nur dazu verwendet eine 1/4 Zoll dicke, kaliberstarke "Schmeerplatte" auf den Boden der Schwanzschraube zu setzen, das System vor Rost zu schützen und das unterkalibrige Geschoss festzuhalten. Sie musste nur alle 60 bis 80 Schusss erneuert werden. Die Patrone des Vorderlader bestand aus folgenden Teilen:
  • "aus einer eisernen Kappe, worin das Knallpulver eingepresst, und mit einer Metalldecke, wie bei den patentierten Zündhütchen gedeckt war.
  • aus einer Kugel (Bleikugel),
  • einem hölzernen Spiegel,
  • einer Papierhülse, welche obige 3 Gegenstände verbindet und so die ganze Patrone ausmacht."
Auch hier findet sich kein Hinweis über die Art des Pulvers. Da neben dem Zündmittel kein Hinweis auf eine Treibladung zu finden ist, muss von der Verwendung eines Chloratpulvers ausgegangen werden.
Die preußische Militärverwaltung fand aber letztendlich kein Gefallen an dem Zündnadelvorderlader. Ein Punkt war die mangelnde Präzision, aber auch die Tatsache, dass man das System im gespannten Zustand laden musste. Auch hier erkennt man den unermüdlichen Einfallreichtum Dreyses, der auf die Einwände stets prompt reagiert und hier z.B. gleich eine entsprechende Sicherung konstruierte. Die preußische Militärverwaltung verlangte jedoch, dass die Sicherung direkt auf die Zündnadel wirkte. Weitere Entwicklungen mündeten schließlich in dem Zündnadelhinterlader mit Zylinderverschluss der als M/41 in die preußische Armee eingeführt wurde.
Zuendnadelvorderlader
Bevor es soweit war, erfolgten noch einige Armeeversuche mit dem Vorderlader. Wie bereits erwähnt, hat sich das Knallpulver als sicherheitstechnisch unzuverlässig erwiesen und wurde deshalb durch eine geteilte Ladung ersetzt. Die Schwanzschraubenöffnung ergänzte Dreyse durch ein Piston, wie bei den Perkussionswaffen. Um diesen, leicht konisch geformten "Zündstift" wurde als Treibladung gewöhnliches Schwarzpulver geschüttet. Auf die Ladung wurde ein hohl gearbeiteter Treibspiegel aus Pappe gesetzt, in den ein Zündhütchen und eine Bleikugel eingesetzt waren.
Zuendnadelvorderlader

Diese Konstruktion hatte alle Merkmale eines Perkussionsgewehres, nur dass der Zündvorgang in das Innere des Gewehres verlegt wurde und somit vor den Umwelteinflüssen geschützt war. Als wesentlicher Vorteil gereichte dem System die Tatsache, dass der Schütze nicht mehr durch eine Zündflamme belästigt oder verletzt wurde, auch nicht durch das Herumfliegen von abgesprengten Zündhütchenteilen. Die Zündnadel funktionierte ähnlich wie ein Schlagbolzen, den ja schon Pauly verwendete. Jedoch hatte die Zündnadel den Vorteil, dass auf Grund der geringen Auftrefffläche die Feder wesentlich schwächer sein konnte, um die nötige Zündenergie zu liefern. Der Nachteil war noch der umständliche Ladevorgang und das benötigte Fingerspitzengefühl bei der Dosierung der Treibladung und dem Aufsetzen des Treibspiegels.
Die abschließende Weiterentwicklung stellte der Zylinderschlossvorderlader dar. Der Vorteil war, dass das Schloss zum Reinigen nicht mehr mit Werkzeug (Schraubenschlüssel) zerlegt werden musste. Das Zylinderschloss nahm die wichtigsten Teile - Nadelbolzen, Nadel und Spiralfeder - auf. Dieses Prinzip sollte den Schritt zum Hinterlader überdauern.
Zuendnadelvorderlader

Als nächster Verbesserungsschritt wurde die, noch in der Nähe zu der konventionellen Mechanik der Vorderladergewehre ausgestalteten Schlossmechanik Hahn und Schlagfeder, durch eine Bandspiralfeder ersetzt. Die Feder konnte durch eine kleine Kurbel mittels einer Mechanik gespannt werden. Die Mechanik war mit einem in den Lauf hereinragenden Stift gekoppelt, der die Aufgabe hatte die unterkalibrige Patrone (Kugel und Treibspiegel) festzuhalten.
Ein weiterer Schritt in der Entwicklung bestand darin, dass die Einheitspatrone in die Versuche mit einbezogen wurde, d.h. die Vereinigung der Treibladung, des Zündsatzes und des Geschosses. Das unterkalibrige Geschoss wurde ursprünglich in die Patronenhülse eingeklebt. Man machte jedoch die Erfahrung, dass es innenballistisch günstig ist, wenn das Geschoss fest mit dem Treibspiegel verbunden ist. Der Klebevorgang wirkte sich ungünstig auf den festen Sitz des Spiegels aus. Deshalb ging man dazu über, die Spitze der Papierhülse mit einem Bindfaden zu schließen. Die komplizierte Form des Treibspiegels wurde durch eine besondere Papierwicklung ermöglicht, die nach einer Verfestigung die Konsistenz von Pappe erhielt. Damit der Treibspiegel sich unter dem Druck der Pulvergase spreizenund die Konturen des Laufes annehmen konnte wurde er oben geschlitzt. Die Zündpille wurde sorgsam in der Mitte des Treibspiegels angebracht, damit sich der Treibspiegel bei der Zündung nicht asymmetrisch verformt. Außerdem war sie so vor Umwelteinflüssen geschützt.
Zuendnadelvorderladeranleitung
Das Zündnadelvorderladersystem war patentiert und wurde aber nicht vom preußischen Militär angenommen, dadurch fiel es nicht unter die Geheimhaltung. So konnte Nikolaus von Dreyse sich auf dem zivilen Markt umtun. Dazu erschien im August 1830 eine 16 seitige Werbebroschüre, die um 8 Seiten mit einer Erklärung und handkolorierten Zeichnungen ergänzt wurde. Dreyse beschreibt ausführlich die Bedienung, die technische Seite und die Vorzüge des Systems gegenüber der herkömmlichen Perkussionstechnik.
Zuendnadelvorderladerpistole
Das Prinzip des Zündnadelvorderladers wurde nicht nur bei Gewehren, sondern auch bei Pistolen angewandt was u.a. Realstücke beweisen. Auf dem Bild kann man auch die angesprochene Schiebesicherung hinter dem Abzug erkennen.



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