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Der Zündnadelvorderlader
Im 19. Jahrhundert waren die Bestrebungen bei der Entwicklung neuer Gewehrsysteme die Vereinfachung bzw. Verringerung der Ladegriffe und damit die Erhöhung der Feuerkraft. Ein Entwicklungsschub der Produktivkräfte, Fortschritte in den Naturwissenschaften und der Technik, spektakuläre Erfindungen und vor Allem deren fertigungstechnische Verwertung sowie die Zielstrebigkeit und Geschick eines neuartigen Unternehmertums beendete eine lange technische Stagnation militärtechnischer Entwicklung. Bis dahin wurden im Wesentlichen technische Fortschritte im Bereich der Feuerwaffen durch technische interessierte und versierte Offiziere vorangetrieben. Dabei bemühten sich militärische und fiskalische Behörden, meist widerwillig-dilatorisch, sie zu verstehen und ins Kalkül der militärischen Vorschau mit einzubeziehen. Es wurden Kommissionen gebildet, um die Neuerungen zu begutachten und ggf. die optimale, in das bestehende System passende, Lösung auszuwählen. Darüberhinaus war das Bestreben nach neuer Waffentechnik und Rüstung in dem Frieden nach der Beendigung des Eroberungsdranges des Napoleons I. und der Befreiungskriege nicht gerade groß. In der Literatur wurden neue Entwicklungen diskutiert, wobei eine Verwendbarkeit der Perkussionszündung, neue Schlosskonstruktionen und Zündmittel im Vordergrund standen. Kriterien für die Anerkennung neuer Konstruktionen waren:
Dass Dreyse sich auch Gedanken darüber machte durch Konkurenzideen nicht ins Hintertreffen zu geraten sieht man daran, dass er manchen Patentantrag einreichte. Dabei war nicht jede Idee bis zu letzt ausgereift und ausformuliert. So existiert ein Patentschreiben "Zum Patent für den Fabrikunternehmer Herrn N. Dreyse zu Sömmerda auf eine neue Einrichtung von Gewehrschlössern und von Patronen auf eine eigentümliche Methode, Gewehre von hinten zu laden und die Art eines Magazins an Gewehre für Zündhütchen gehörig". Es ist auch sicher, dass er bald nach dem Patentantrag vom 10. Juli 1827 über ein "Gewehr von hinten zu laden" ein weiterer, zusätzlicher Antrag auf ein "Gewehr ohne Ladestock zu laden, und statt des Schießpulvers mit Knallpulver zu feuern" (Zündnadelvorderlader) eingereicht wurde. Dreyse experimentierte in dieser Zeit viel mit dem sogenannten "muriatischen Pulver", was sich aber am Ende als nicht praktikabel erwies, da es ja schlagempfindlich war und die Treibladung bei dem Versuch das Geschoss in den Lauf zu treiben vorzeitig, zünden konnte. Bei so einem Unfall verletzte Dreyse sich nicht unerheblich an der Hand. In seiner Patentbeschreibung verwies er auch darauf, dass sein System durch Umänderung gewöhnlicher Feuergewehre hergestellt werden kann, zumal ökonomische Gründe für einen Erfolg nicht unerheblich waren. Er beschrieb recht ausführlich (u.a.):
Der Ladestock wurde nur dazu verwendet eine 1/4 Zoll dicke, kaliberstarke "Schmeerplatte" auf den Boden der Schwanzschraube zu setzen, das System vor Rost zu schützen und das unterkalibrige Geschoss festzuhalten. Sie musste nur alle 60 bis 80 Schusss erneuert werden. Die Patrone des Vorderlader bestand aus folgenden Teilen:
Die preußische Militärverwaltung fand aber letztendlich kein Gefallen an dem Zündnadelvorderlader. Ein Punkt war die mangelnde Präzision, aber auch die Tatsache, dass man das System im gespannten Zustand laden musste. Auch hier erkennt man den unermüdlichen Einfallreichtum Dreyses, der auf die Einwände stets prompt reagiert und hier z.B. gleich eine entsprechende Sicherung konstruierte. Die preußische Militärverwaltung verlangte jedoch, dass die Sicherung direkt auf die Zündnadel wirkte. Weitere Entwicklungen mündeten schließlich in dem Zündnadelhinterlader mit Zylinderverschluss der als M/41 in die preußische Armee eingeführt wurde. Diese Konstruktion hatte alle Merkmale eines Perkussionsgewehres, nur dass der Zündvorgang in das Innere des Gewehres verlegt wurde und somit vor den Umwelteinflüssen geschützt war. Als wesentlicher Vorteil gereichte dem System die Tatsache, dass der Schütze nicht mehr durch eine Zündflamme belästigt oder verletzt wurde, auch nicht durch das Herumfliegen von abgesprengten Zündhütchenteilen. Die Zündnadel funktionierte ähnlich wie ein Schlagbolzen, den ja schon Pauly verwendete. Jedoch hatte die Zündnadel den Vorteil, dass auf Grund der geringen Auftrefffläche die Feder wesentlich schwächer sein konnte, um die nötige Zündenergie zu liefern. Der Nachteil war noch der umständliche Ladevorgang und das benötigte Fingerspitzengefühl bei der Dosierung der Treibladung und dem Aufsetzen des Treibspiegels. Die abschließende Weiterentwicklung stellte der Zylinderschlossvorderlader dar. Der Vorteil war, dass das Schloss zum Reinigen nicht mehr mit Werkzeug (Schraubenschlüssel) zerlegt werden musste. Das Zylinderschloss nahm die wichtigsten Teile - Nadelbolzen, Nadel und Spiralfeder - auf. Dieses Prinzip sollte den Schritt zum Hinterlader überdauern. Als nächster Verbesserungsschritt wurde die, noch in der Nähe zu der konventionellen Mechanik der Vorderladergewehre ausgestalteten Schlossmechanik Hahn und Schlagfeder, durch eine Bandspiralfeder ersetzt. Die Feder konnte durch eine kleine Kurbel mittels einer Mechanik gespannt werden. Die Mechanik war mit einem in den Lauf hereinragenden Stift gekoppelt, der die Aufgabe hatte die unterkalibrige Patrone (Kugel und Treibspiegel) festzuhalten. Ein weiterer Schritt in der Entwicklung bestand darin, dass die Einheitspatrone in die Versuche mit einbezogen wurde, d.h. die Vereinigung der Treibladung, des Zündsatzes und des Geschosses. Das unterkalibrige Geschoss wurde ursprünglich in die Patronenhülse eingeklebt. Man machte jedoch die Erfahrung, dass es innenballistisch günstig ist, wenn das Geschoss fest mit dem Treibspiegel verbunden ist. Der Klebevorgang wirkte sich ungünstig auf den festen Sitz des Spiegels aus. Deshalb ging man dazu über, die Spitze der Papierhülse mit einem Bindfaden zu schließen. Die komplizierte Form des Treibspiegels wurde durch eine besondere Papierwicklung ermöglicht, die nach einer Verfestigung die Konsistenz von Pappe erhielt. Damit der Treibspiegel sich unter dem Druck der Pulvergase spreizenund die Konturen des Laufes annehmen konnte wurde er oben geschlitzt. Die Zündpille wurde sorgsam in der Mitte des Treibspiegels angebracht, damit sich der Treibspiegel bei der Zündung nicht asymmetrisch verformt. Außerdem war sie so vor Umwelteinflüssen geschützt. Hier finden Sie mein Impressum © 2004 |